Wer bin ich?
Gestern abends. Ich komme von Wien heim. Mein Pinklmann sitzt mit einem unserer wichtigsten Freunde (ich nenne ihn einfach Zweitmannfreund, weil er mich so genau kennt) auf der Terrasse. Halten Nachbesprechung vom Tischtennisabend. Ich setze mich dazu, halte mich am Prosecco-Glas fest und freue mich übers Leben. Plötzlich die Frage von rechts (ZMF): „Und, wann bist du fertig mit deiner Arbeit?“ Pinklfrau ist perplex. Versteht die Frage nicht. Sucht verzweifelt Halt in Pinklmanns Augen, die sie aber nicht erkennt, weil das Kerzenlicht es nicht zulässt. Unser Freund wiederholt die Frage und setzt eines drauf. Und welchen Anspruch erhebst du an die Arbeit? Reicht es für ein Genügend?“ Bittewasistmitdirlos? Noch eines draufsetzend: „Und was machst du dann damit und wie ist dir die Arbeit dienlich?“ Und außerdem: „Wann bist du wieder du?!“
Bin ich nicht ich?
Ich denke nach. Halte mich am Prosecco-Glas an. Schaue in den Sternenhimmel und wünsche mir eine Sternschnuppe, die meine Masterarbeit erledigt und mich frei sein lässt. Im Kopf frei sein lässt. Mich wieder Blog schreiben lässt. Einen Sommertag verschlafen lässt. Mich mit meiner Freundin unbeschwert 2 Tage Wien unsicher machen lässt. Ich wünsche mir eine Sternschnuppe, die mich zu mir zurückbringt. Zurück an die Startlinie. Mich aus der Formalitätsdauerwarteschleife holt und den Konfigurationsfehler in meinem Kopf durch ein Update bereinigt. …ich glaub, mein Freund hat Recht…
Ich bin gerade mein altes Ich.
Versuche, wieder zu entsprechen. Versuche, wieder vorschriftskonform zu schreiben. Verbeiße mich an Vorgaben, die mich nicht ICH sein lassen. Bin unglücklich damit. Spüre es und weiß nicht, wie ich aus dem Labyrinth rauskomme. Weil so zu denken, zu schreiben, zu formen – wie ich es im Rahmen der Masterarbeit soll – nicht meines ist. Und die Vielfalt, die in mir lebt, nicht zum Ausdruck kommen kann. Ich mich nicht (er)ICH-leben kann. Ich mich nicht ICH-schreiben kann. Ich mich nicht ICH-sprechen kann. Klingt komisch, wenn ich es so lese, aber genau das ist es. Ich finde mich in meiner Arbeit nur bedingt wieder.
Eine heftige Erkenntnis
…noch dazu, wo die Arbeit sich mit einem Konzept auseinandersetzt, das aus mir, aus meinem Innersten, entstanden ist. Obwohl es meines ist, kann ich es nicht zu meinem machen. Verrückt. …das alles läuft in meinem Kopf ab, während ich eine Sternschnuppe herbeisehne und hoffe, dass die beiden Männer an meiner Seite nicht merken, wie sehr ich mit den Tränen kämpfe…
Schon wieder so ein Schei*
Seit wann verstecke ich meine Gefühle? Vor meinem Pinklmann? Oder vor meinem Zweitmannfreund? Seit wann bin ich in meinem Denken so eingekastelt? Wann hab ich mein Pinklfrau-ICH abgegeben? Wieso hab ich das gemacht? Und vor allem? WO hab ich mich abgelegt? Ich würde mir gerne den kreativen Schei*mirnixpinklfrauanteil wieder zurückholen… Aber wenn ich nicht weiß, in welcher Schublade er liegt…
Zurück an die Startlinie
Die Frau meines Zweitmannfreundes sagt immer wieder: Achtsamkeit schickt mich an die Startlinie zurück. Und genau dorthin gehe ich jetzt. Zurück an den Start. Ich kann aus einem 500m-Sprint keinen Super-G machen. Das ist mir schon klar. Aber ich kann mir vorstellen, dass ich einen Super-G fahre, während ich den Sprint hinlege. Weil es schlussendlich egal ist, welche Überschriften in meinem Kopf und in meiner Arbeit stehen. Weil es um mich geht. Um meinen Zugang. Um meine Auslegung. Und ich werde das Pferd von hinten aufzäumen. So wie ich es immer mache, wenn ich aus mir heraus bin. Von hinten aufzäumend. Von außen aufrollend. Nach innen greifend. Strukturen aufbrechend. Grenzen wahrnehmend. Freiheit liebend. Quer denkend.
Ich bin … Pinklfrau
Meinen Klient*innen sag ich immer: Markiere deinen Platz … mein Zweitmannfreund und mein Pinklmann haben mir gestern klargemacht, dass ich schon lange nicht mehr gepinklt habe. Es wird Zeit, meinen Platz einzunehmen. Mich in der Arbeit zu präsentieren. Ich zu sein. …und wenn es für andere nur genügend ist … für mich muss es ICH sein.
DANKE, mein lieber Zweitmannfreund für diese Erkenntnis! :-*
Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/4k-wallpaper-astronomie-atmosphare-dammerung-1937687/