Ein anderer Praterbesuch
„Da warst du aber gar nicht achtsam“, hörte ich vor einiger Zeit jemanden über das Pinklfrau´sche Handeln sagen. Oh, ach so. Hmmm. Ja, das kann schon sein. Also ich meine: Es kann schon sein, dass es so von anderen erlebt wurde. Dass andere es so sehen. Ich weiß jedoch genau, dass ich für mich achtsam war.
Achtsam mit sich selbst sein
Darf man das überhaupt?! Mit sich selbst achtsam sein?! Eine völlig andere Meinung zu haben und nicht die erwartetet Meinung anderer zu vertreten? Und zu dieser eigenen Meinung zu stehen? Wissend, dass es nicht alle so sehen? Wissend, dass andere es gar nicht so sehen wollen?! Weil sie ihr eigenes Bild haben. Spürend, dass sie daran knabbern. Merkend, dass es „was mit uns macht“? Bin ich als Pinklfrau dann unachtsam, weil ich bei mir bleibe und mich nicht dem Wunsch anderer beuge? Und nochmals anders ausgedrückt: Muss ich mit der weltgrößten Hochschaubahn fahren, weil ich ein Ticket in die Hand gedrückt bekomme, obwohl ich weiß, dass es mit einer Magenentleerung und einem Migräneanfall für die kommenden Tage endet? Echt jetzt. Muss ich??
Grundlegendes voraus
In der buddhistischen Philosophie steht das Wort Sati für Aufmerksamkeit, Bewusstsein oder eben für Achtsamkeit. So wird im Daoismus das bewusste Nicht-Tun (Wu-Wei) als ein Prinzip gesehen. Durch das Konzentrieren versucht man etwas zu verändern, nicht durch das aktive Handeln. Kabat-Zinn hat dieses Prinzip seiner MBSR-Methode zugrundegelegt. Es geht darum, um auf eine „bestimmte Weise aufmerksam zu sein: bewusst, im gegenwärtigen Augenblick und ohne zu urteilen“ (Kabat-Zinn, 2010, S.18. Im Alltag Ruhe finden. Knaur-Verlag). Das heißt nicht, dass man es anderen recht machen soll, weil die es gerne hätten. Das meint auch nicht, dass man auf sich vergessen oder gar seine eigenen Bedürfnisse hinten anstellen soll. Nein, das ist damit nicht gemeint. Es meint auch nicht, dass man sich verbiegt, weil der andere „arm“ ist. Oder die „allwissende Müllhalde“ ist. Oder weil man eben ein Hochschaubahn-Ticket bekommen hat.
Mitleid oder Mitgefühl
Hier ein Pinklfrau-Beispiel, um es besser zu verstehen: Es bringt nichts, dass ich mir auch in den Finger schneide, wenn sich bspw. das Pinklmädchen eingeschnitten hat. Nur, um mit ihr mitzuleiden. Da bin ich nicht handlungsfähig, sondern …. ja, ich sag es so, wie ich es mir denke: dumm. In meinem tief gespürten Mitgefühl aus lauter MitleidundSchmerzundAufregung in Ohnmacht zu fallen (so wie ich das jahrelang praktiziert hab, wenn sich der Pinklmann die Schulter auskegelt hat), ist ebenso wenig dienlich. Weder ihm, noch mir. Es nützt auch nix, hektisch herumzulaufen und einen kompletten Apothekerschrank mit allen Pflastern heranzukarren, wenn lediglich 2 Tropfen Blut aus dem Schnitt herausquellen und als heliozentrische SchneidedichnichteinPolizistin alles scheinbar Gefährliche wegzuräumen. Und ab sofort alle Tätigkeiten, die mit einem Messer zu tun sind, dem Pinklkind abzunehmen. Obwohl sie jenseits des Kindergartenalters ist und alleine wohnt. Hmmm, das machen Helikopter- und Rasenmäher-Menschen. Aber ich sag euch was: Lasst es sein! Es hilft nichts. Nicht so, wie ihr es euch erhofft. Es bringt maximal eine Abhängigkeit (!) mit sich… Die Fragen sind hier: Wer hängt an wem und warum und wie lange schon/noch und was bringt das? Im besten Fall Dankbarkeit. Im schlechtesten Fall Vorwürfe, Streit und Trennung.
Bewusstsein … bewusst sein
Achtsamkeit verändert die Haltung. Es verändert das Auftreten. Es verändert die Perspektive, aus der man auf ein Thema schaut. Weil man von außen hin(ein)schaut und nicht nur von innen her(aus)schaut. In die Vogelperspektive geht. Wahrnimmt, was es mit einem selbst macht und klarerweise auch, was beim anderen ist. Es lässt einen das Bewusstsein spüren. Für einen selbst. Und so ein besonderes Selbstbewusstsein macht was mit der Pinklfrau 😉
Besuch im Emotionsprater
Seit ich mich mit Achtsamkeit beschäftige, gelingt es mir immer besser im Emotionsprater eine Runde zu spazieren, ohne von der Dramaqueen (mit vollem Namen Eifersucht-Abneigung-Hass-Verblendung) begleitet zu werden. Da kann einem glatt „Einzelgängerei“ und emotionale Kälte vorgeworfen werden. Ich löse auch nur mehr selten eine Fahrkarte für das Karussell der Enttäuschungen und muss dadurch mein Inneres nicht mehr nach außen kotzen, weil ich mir kein Erwartungspopcorn mehr kaufe. Unsensibel, unachtsam und unerhört sind hierfür Schlagworte, die mit Stichen verletzen könnten. Könnten – genau … Aber nur, wenn die Pinklfrau in ihren kleinen Fiat 500c Grant und Groll einpacken würde und mit ihnen gemeinsam in den Prater fahren täte.
Ich stelle mich auch nicht mehr bei der längsten Schlange an, um mit dem modernsten und coolsten Tagtata zu fahren, weil es gerade „in“ ist, sondern treffe Entscheidungen, die mir gut tun. Vielleicht bin ich dann nicht mehr „in“. Auch gut. Ich will gar nicht auf diese Art „in“ – mittendrin – Teil davon sein. Viel lieber bin ich nah an mir und versuche objektiv auf mich und meine Themen zu schauen. Versuche, keine subjektive Wahrnehmung einzunehmen und aus dieser heraus zu handeln. Ist nicht immer leicht. Auch nicht immer der einfachste Weg. Manchmal schmerzhaft. Für mich und manchmal schwer zu verstehen für andere. Eh klar. Weil der Karussell-Betreiber und die Tagata-Dame und die Popcorn-Bude an mir verdienen möchten …
Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/beleuchteter-vergnugungspark-bei-nacht-2788806/