Augenblicke
Quasimodo
Quasimodo, Esmeralda und Notre Dame – in Disney-Verpackung – wie oft haben meine Kids das früher auf Video angeschaut. Der entstellte Quasimodo hat es mir ja immer sehr angetan. Da ist mein Herz aufgegangen – lange Zeit war es Mitleid, das ich mit ihm hatte. Ja, ich habe mitgelitten. Am liebsten hätte ich mir damals auch einen Buckel organisiert, ein komplett geschwollenes Auge verpasst und einen hatscherten Gang angewöhnt. Nur, um ihm zu vermitteln: „He, Süßer, du bist nicht alleine und ich mag dich so sehr! Alles ok!“
Quasimodo in weiblich
Heute haben die Pollen zugeschlagen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich schau aus, als hätte man mich verprügelt. Mein rechtes Auge ist verschwollen. Zugeklebt. Die Bindehaut hat Buckeln und schlägt Falten. Das Pinkltöchterchen sieht mich, verzieht den Blick und meint: „Oooooch, Mamilein, du schaust aus wie ein weiblicher Quasimodo. Mit deinem kaputten Knie hinkst eh ständig, das Auge ist zu und der Buckel ….“ Ein Blick ins Auge hat genügt und sie war in ihre Kindheit zurückversetzt 😉
Ich fühle es!
Augentropfen, reiben, auswaschen, fluchen … das hat alles nichts geholfen. Also hab ich mich auf die Bank gelegt, meine Augen mit einem kalten nassen Geschirrtuch bedeckt und gekühlt. Und dann hab ich an Quasimodo denken müssen. Ja, früher hab ich mit ihm mitgelitten. Heute ist es anders. Da ist es Mitgefühl. Ich fühle mit Quasimodo mit. Fühle die Sichtbeschränkung. Fühle das Unwohlsein. Fühle den Schmerz. Fühle, dass ich beobachtet und angeschaut werde. Anders als sonst. Eh klar… Ich fühle es und erinnere mich an ihn. An Quasimodo.
Ich bleibe bei mir
Auf der Couch, mit zugedeckten Augen, habe ich Zeit. Mir kommen die Worte von Thich Nhat Hanh in den Sinn:
Wenn die Achtsamkeit etwas Schönes berührt, offenbart sie dessen Schönheit. Wenn sie etwas Schmerzvolles berührt, wandelt sie es um und heilt es.
Selbstmitgefühl
Ich kann nicht sagen, dass meine Augen schon wieder ok sind. Aber ich hab mich auf der Couch mit dem Begriff Selbstmitgefühl auseinandergesetzt. Ich fühle mit mir. Ich spüre, wie es mir geht. Ich nehme das Jucken, den Druck, den Schmerz, das Schämen, auch die Wut und die Traurigkeit (ich wollte den ganzen Nachmittag für etwas anderes verwenden als auf der Couch zu liegen) wahr. Ich spüre all diese Gefühle in mir. Ich weiß, dass sie da sind und ich gebe ihnen Raum. Und ich weiß, dass es auch andere Menschen gibt, denen es so geht. Die auch unter den Pollen leiden. Anders als ich vielleicht, aber auch davon betroffen sind. Und dieses Wissen tut gut. Ich weiß, ich bin mit dem Quasimodo-Zustand nicht alleine….
Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/augapfel-auge-auge-makro-augenbraue-865711/