Kein Stein am anderen

Schon wieder bewegt sich der Boden

Gestern, am Abend des Karfreitags, sitzen Pinklmann und Pinklfrau am Esstisch und plaudern. Philosophieren über dies und das. Genießen die Zeit. Lassen sie dabei Revue passieren. Erinnern uns an unsere Kindheit, lustige und traurige Erlebnisse der letzten Jahre, Menschen und Tiere in unserem Leben. Werden uns bewusst, dass wir uns schon oft neu ausgerichtet haben und immer wieder aufrichten. Dass mir mein Glas am Kopf, das ich von Zeit zu Zeit real auf diesen stelle, dienlich im Pinklfrau-Haltungsmodus-Sein ist. Und plötzlich spüre ich es. Schon wieder. Aber dieses Mal viel leichter. Nur grummelnd, nicht so heftige Stöße wie vor einigen Tagen am Dienstag. Da war schon wieder eines! Hast du es nicht gespürt, Pinklmann?! Der Boden hat sich schon wieder bewegt.

Ein Erdbeben? – Nein!

Hab ich es mir eingebildet? Warum hat er es nicht gemerkt? Was ist da los? Ich werde ruhiger. Lenke den Gesprächsinhalt weg von den Verschiebungen, die unter unserem Haus passiert sind. Trinke einen Schluck vom geliebten Prosecco und überlege, ob das Glas am Pinklfrau-Kopf in diesem Moment halten würde. Merke, dass mich der Gedanke an Veränderungen, die auf unterirdischen, nicht sichtbaren und schon gar nicht aufhaltbaren Bewegungen basieren, irritiert. Bevor ich schlafen gehe, lese ich, dass es wirklich ein Erdbeben war…

Was bringt das schon wieder mit sich?

Vor vielen Jahren hat ein Erdbeben in unserem Pool einen heftigen Schaden, der nicht gleich sichtbar war, ausgelöst. Erst, als das Wasser ständig weniger wurde und wir Teile des Pools freilegten, erkannten wir, dass Haarrisse für den Wasserverlust verantwortlich waren. Ausgelöst durch ein Beben. Also wurde repariert, erneuert und verbessert. Im Dezember des Vorjahres, als der Kristallluster über dem Esstisch zu wackeln begann, setzte dieses Plattenverschieben unserem Garten zu. Von einem ebenen Rasen kann nicht mehr die Rede sein. Naja, passt wohl so besser zu Pinklfrau (und Pinklmann), die bekannterweise auch nicht aalglatt sind. Ecken und eigenes Denken gehören zu uns, wie unser Garten mit Macken und Hügeln. Und sogar die Gartenmauer hat einen neuen Sprung mehr. Heißt das jetzt, dass ich mir auch einen weiteren Sprung in der Schüssel erlauben darf?! … aber das wird bestimmt wieder nicht allen gefallen …

Verschiebungen durch Begrenzungen

Begrenzt werden heißt für mich: durch Erwartungen anderer eingeengt … aufgrund unterschiedlich ausgelegter Gesetze und Normen im Sein und Tun – also in meinem physischen und psychischen Bewegungsraum – eingeschränkt … in meinem Tempo gedrosselt … meiner Worte, Gedanken und Überzeugungen beschnitten … der eigenen Entscheidung enthoben … durch Hirnspinnereien abgestempelt … aus Unverständnis und aufgrund von Vorurteilen (die in Köpfen anderer Menschen zirkulieren und nie offen und ehrlich besprochen, sondern hinter der Hand bemurmelt wurden) verurteilt … mit einer Wortkrone aus der Gruppe verbannt … und schlussendlich ans Kreuz genagelt werden. Oder in Pinklfrau-Worten ausgedrückt: Mein Glas am Kopf verlierend.

Kennen wir das nicht irgendwoher?

Sich dem Leben / den Wünschen anderer Menschen / herausfordernden Situationen zu ergeben, ist nicht mein Zugang. Sich anzupassen, weil es so erwartet (!) wird, macht in mir Unruhe. Lässt mein Inneres brodeln. Ich merke dann, dass sich tief in der Pinklfrau-Erdkruste ein neues Hypozentrum bildet. Und manchmal sind es Verschiebungen, die auf den ersten Blick kaum sichtbar sind (ich nehme mich zurück, rede weniger – mein Glas am Kopf bleibt stehen). Manchmal stürzt etwas ein (da müssen Worte / Taten dabei gewesen sein, die mich so richtig verletzt haben und mein Glas rutscht hinunter). Und schlussendlich gibt es vulkanische Pinklfrau-Erdbeben. Das sind die ganz, ganz heftigen. Da bleibt dann wirklich kein Stein am anderen. Da kommt alles hoch. Danach herrscht kein Lockdown, sondern ein Knockout. Da ist dann alles vorbei. Mein Glas zerspringt in 1000ende Scherben. Selten, aber auch diese Erdbeben gab es in meinem Leben. Achtsam? Unachtsam? – Diese Frage stellte sich damals, vor vielen Jahren nicht. Da musste es heraus und wurde so Teil meiner Geschichte.

Und daraufhin hab ich mir ein neues Glas besorgt und mich wieder neu eingenordet in das Pinklfrau-Leben.

Seismographen-Auswertung ist gefragt

Die Seismographen haben in den letzten Tagen in Neunkirchen einiges zu tun gehabt. So wie das Pinklfrau-Seismograph-Glas am Kopf in den letzten Jahren 😉 Und wenn ich die Pinklfrau-Seismographen-Kopfglas-Auswertungen analysiere und mir genau anschaue, dann erkenne ich, was in mir kleine und mittlere Erdbeben auslöst. Kann sogar verifizieren, ob eine heftige Verschiebung in der Gefühlspipeline hängt. Ich merke mittlerweile auch, dass ich zuerst mit einem Rückzug beginne. Abwäge, wie viel Aufmerksamkeit ich „dem“ beimessen möchte. Wenn ich die Worte im Kopf fertig habe, dann rede ich auch aberdaskannlangedauernweilichniemandenverletzenmöchte.

Formuliere, was sich in mir tut. Explodiere nicht mehr. Weil ich weiß, dass es zu einem Ende-Aus-Habefertig führen kann.

Auferstehung oder Glas-Aufsetzung der Pinklfrau

Klar, schüttelt es mich auch und mein Glas wackelt. Selbstverständlich bin ich auch wütend, grantig, zornig, traurig und mein Glas steht – so wie ich – völlig unsicher da. Aber wenn mein Glas hinunterfällt, dann zerbricht es nicht mehr und auch ich zerbreche nicht mehr. Stattdessen nehme ich Wirbel für Wirbel an Haltung ein, stelle ich mir mein Glas, egal, ob ich es scharf sehe oder nicht, wieder auf den Kopf, nehme innerlich eine beobachtende, nicht wertende Haltung ein und bemerke, dass innerliche und äußerliche Auf-ich-stehung durch die Glas-Aufsetzung gelingt. Tag für Tag. Nicht nur zu Ostern. Weil ich mich aufrichte und aufrecht bin.

Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/frau-die-ein-gelbes-schnurlicht-halt-3378993/