Wie macht man das?
Claudia, sag mir: Wie soll ich das nur schaffen? Wie soll ich das machen? Ich kann das nicht. Ich kann nicht mehr.
Die große Föhre sitzt vor dem unberührten Abendessen, als ich den Raum betrete. Wippt vor und retour. Weint. Jammert vor sich hin. Fragt sich und mich: „Wie soll ich das nur schaffen? Ich kann das nicht mehr. Weiß nicht, wie das geht.“
Ich kann nicht mehr.
Ich schaue die Föhre an. Es schaudert sie. Essen geht nicht mehr. Sie kann es nicht schlucken. Nicht die Suppe. Auch nicht die lauwarme Palatschinke. Und das Tiramisu auch nicht. So viel süß ist das alles, murmelt sie. Nein. Es geht nicht mehr. Nicht mehr. Sie jammert vor sich hin.
Ich weiß auch nicht, wie das geht. Habe keine Ahnung, wie es geht, das Leben loszulassen. Oder wie man den Übergang von der einen in die andere Welt schaffen kann. Ich weiß nur, dass ich da sein kann. Wenn ich darf. Man mich lässt. Dann, wenn es mir erlaubt ist. Wenn es erwünscht ist. Sie hält meine Hand und murmelt: Bleib da. Lass mich nicht alleine. Ich gebe ihr die kleine Schwalbe in die Hand.
Ich halte sie.
Sag ihr, dass es in Ordnung ist, wenn sie nicht mehr isst. Dass sie sich nicht mehr plagen will. Wenn sie beschließt, dass es reicht. Weil sie nach jedem Bissen das Gefühl hat, dass sie keine Luft bekommt. Weil es vom Bauchraum herauf so drückt.
Es hilft ihr, dass sie nicht mehr muss. Soll. Auch nicht mehr braucht. Sondern es gut sein lassen darf. Das entspannt sie. Nimmt den Druck aus dem Gesicht. Sie bekommt Spritzen – gegen die Schmerzen. Ich summe den Andachtsjodler. Streiche über das Haar. Lasse sie wissen, dass ich dankbar bin. Dass es keinen Grund zur Reue gibt. Jede(r) das Beste gemacht hat und dass Fehler anders herum aneinandergereiht Helfer sind.
Irgendwann muss ich heimfahren.
Ich sage ihr, dass ich sie soweit begleitet habe, wie es möglich war. Ob Mama es noch mitbekommen hat, das weiß ich nicht. Ihre Augen sind geschlossen. Sie jammert. Winselt. Ruft zwischendurch JA auf und strampelt umher.
Eine Königskerze strahlt sogar in der Nacht
Als ich daheim ankomme, schaue ich aufs Feld neben unserem Haus. Da steht eine Königskerze. Seit Jahren habe ich keine Königskerzen mehr gesehen. Früher gab es viele. Heute sehe ich wieder eine. Nach so langer Zeit! So nah an meinem Daheim. Nun, wenn sogar eine Königskerze den Weg leuchtet, dann ist dieser sicherlich von Gott geführt, denk ich mir. Sichtlich ist Mama auf dem Weg. Der Mond begleitet sie. Ich lasse los.